Geetanjali Shree

Mai

Roman

Aus dem Hindi übersetzt von Reinhold Schein

 

 

Im Oktober 2010 kam Geetanjali Shree zur Frankfurter Buchmesse. Im Anschluss daran gab es eine

Lesereise mit ihr durch sechszehn deutsche Städte.

 

Der Roman "Mai" wurde im Dezember 2010 in die Bestenliste "Weltempfänger" aufgenommen und

kam auf Platz fünf.

 

 

Drei Generationen einer gut situierten Familie in Nordindien: Der Großvater, ein Tyrann nicht ohne liebenswerte Züge, die Großmutter mit der rasiermesserscharfen Zunge, der untreue Vater, die beiden

Kinder im komplizierten Prozess der Ablösung von einer dominanten Familie, eine Tante, die sich in alles einmischt, die Bediensteten. Im Zentrum steht Rajjo, die im Roman zumeist Mai (das Hindi-Wort für

„Mutter“) genannt wird. Rajjo, die zunächst so schwach und unscheinbar wirkt, gewinnt im Verlauf des

Werkes immer mehr an Konturen.

Geetanjali Shree,

 

1957 in Uttar Pradesh, Indien geboren ist eine indische Schrift-stellerin, sie lebt und arbeitet in Neu-Delhi.

 

Mit Hindi als Muttersprache und einer englischsprachigen Schul- und Hochschulbildung ist sie in beiden Sprachen zu Hause. Sie studierte neuere indische Geschichte und begann zunächst eine akademische Karriere als Historikerin und Sozialwissenschaftlerin. Auf Englisch veröffentlichte sie vier wissenschaftliche Arbeiten über die Rolle von Intellektuellen und Literaten im Kontext der indischen Unabhängig-keitsbewegung des 20. Jahrhunderts.

 

Seit 1991 hat sie vier Romane und vier Bände mit Erzählungen veröffentlicht. Seit 1993 arbeitet sie mit dem Vivadi Theatre in Delhi zusammen, für das sie bisher vier Bühnenadaptationen von Texten anderer Autoren verfasst hat. Außerhalb der Hindi-sprachigen Literaturszene Indiens wurde sie vor allem durch die 2000 erschienene englische Übersetzung ihres Erstlingsromans „Mai“ (1993) bekannt.

2010, 244 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-937603-45-2


Der gekrümmte Rücken als Metapher

 

Franz Schneider 

 

Geetanjali Shree, es ist ein Versuch wert, sich diesen Namen zu merken. In Indien ist er Literaturfreunden längst ein Begriff, denn Geetanjali Shree gilt als eine der wichtigsten Autorinnen, die auf Hindi schreiben, verstanden und gesprochen von 388 Millionen Menschen. Geboren 1957, lebt sie heute in Neu-Delhi und schreibt Romane und Kurzgeschichten. Aufsehen erregte Geetanjali Shree sogleich mit ihrem Roman-Debüt „Mai“, das Hindi-Wort für „Mutter“, der 1993 erschien und bereits ins Englische und Französische übersetzt wurde. Nun liegt er auch auf Deutsch vor, Reinhold Schein hat diese schwierige Arbeit vollbracht und sie ist ihm sehr gelungen.

 

„Mai“ liest sich nuancenreich, flüssig und geschmeidig. Der Roman ist eine Familiengeschichte dreier Generationen in einem Haus. Es gibt den Großvater, der herrisch darüber wacht wer das Haus betritt, es gibt die Großmutter mit ihrer bösen Zunge, den Vater, der sich gerne religiösen Zeremonien hingibt, es gibt Sohn und Tochter, die sich gegen die festgefügte Ordnung aufzulehnen beginnen. Und es gibt eben „Mai“, die für alle zu arbeiten scheint ohne zu klagen, ohne sich zu beschweren, geduldig die Launen der anderen ertragend – mit einem zusehends gekrümmten Rücken, Metapher ihres Daseins. Erzählt wird aus der Perspektive der Tochter in diversen Zeitsprüngen. Ihre Entwicklung ist die Geschichte eines Verstehens, Mai zu verstehen, zu begreifen, dass sich hier niemand selbst aufgegeben hat, sondern mit einer großen Kraft gesegnet ist, einem großen Feuer, das in ihr brennt. Der Ton und das Tempo, das Geetanjali Shree dabei anschlägt, ist lebendig, aber auch sanft und weich zugleich, die einzelnen Episoden treiben wie in einem ruhigen großen Fluss. Ganz besonders geglückt ist ihr die Charakterisierung der einzelnen Figuren, die insbesondere durch ihre Essgewohnheiten porträtiert werden – es ist natürlich Mais Aufgabe, diese sofort zu bedienen, ein Roman, in dem unentwegt Speisen zubereitet werden. Damit gelingt Geetanjali neben einer eindringlichen psychologischen Studie auch, einem ein gutes Stück indischer Alltagsgeschichte zu vermitteln.

 

Von einer anderen Facette erlebt dann einer die Autorin, wenn er zu einem kleinen Band von Kurzgeschichten greift, „Weißer Hibiskus“ betitelt. An fünf Beispielen beweist Geetanjali Shree hierbei ihre Fähigkeit zur lebendigen, knappen Darstellung und beiläufigen Schilderung von Gefühlszuständen. Reizvoll aus europäischer Perspektive geriet insbesondere eine Erzählung wie „Kirschblütentanz“, die beschreibt wie eine alte Inderin Japan erlebt, somit sich gleich zwei Großkulturen einander berühren.So ist dem Draupadi Verlag erneut für dieses Unternehmen zu danken, Heidelberg und dem Rest der deutschsprachigen Welt indische Gegenwarts-Literatur nahe zu bringen.

 

Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberg, 26.8.2010


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In Kooperation mit dem Unionsverlag auch als Ebook erhältlich.